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Ernest Francillon  wird  Ende des Sommers 1852 in dem Betrieb Agassiz & Cie. in St. Imier aufgenommen. Francillon war der Neffe von Auguste Agassiz (1809-1877) und wurde am 10.Juli 1834 als Sohn seiner Schwester Olympe und des Eisenhändlers Marc Francillon in Lausanne geboren. Die Familie Francillon ist eine hugenottische Flüchtlingsfamilie aus der Dauphiné, die 1722 in Lausanne eine über Generationen bedeutende Eisenhandlung gründete. -   Der Betrieb Agassiz & Cie. wurde bereits seit 23.April 1852 von einem entfernten Verwandten – dem talentierten Uhrmacher Edouard Savoye – geleitet. Bereits ab 1854 leitete Francois Secretan und Francillon den Betrieb gemeinsam. Agassiz hatte sich wegen seiner angeschlagenen Gesundheit mit seiner Familie nach Lausanne zurückgezogen. Da sein Sohn Georges Agassiz (1846-1910) zu diesem Zeitpunkt erst 6 Jahre alt war, sollte wohl zunächst sein Neffe den Betrieb übernehmen. Nach dem Historischen Lexikon der Schweiz, soll Francillon das Collège Gailard in Lausanne, das Institut Sillig in Vevey und eine Handelsschule in Stuttgart besucht und außerdem eine Uhrmacherlehre in Môtier absolviert haben. Hier stellt sich die Frage, wie man als 18-Jähriger dann bei seinem Onkel als Uhrmacher anfangen kann !?   Nach zehn Jahren, am 1. Juli 1862 übernimmt Ernest Francillon schließlich die Manufaktur unter der Firma Ernest Francillon, Successor,  formerly Auguste Agassiz. Wie man aus frühen Firmen-Biographien weiß, blieb Auguste Agassiz mit einer Einlage von 100.000 Franken an dem Betrieb beteiligt. Dieser Betrag hatte 1862 einen immensen Wert und man kann nicht ausschließen, dass dies der Wert des Unternehmens überhaupt war, zumindest aber ein mehrheitlicher Anteil.  Auguste Agassiz war also Hauptanteils-Eigner und wird somit auch weiterhin den Fortgang des Betriebes kritisch beobachtet haben. Man muss auch Folgendes annehmen: Wenn Georges Agassiz zehn Jahre früher geboren wäre, hätte es sicher nie eine Firma Ernest Francillon – Longines  gegeben.

Seit wann genau – also vielleicht schon vor 1862 -  es Taschenuhren mit Signierung ERNEST FRANCILLON GENEVA auf dem Zifferblatt und auf dem Werk (ohne Ort) gibt, ist noch nicht geklärt. Dass diese Uhren ausschließlich in der Werkstatt von Agassiz entstanden sind, muss man annehmen. Diese Taschenuhren haben normale Qualität, vom Zylinder- bis zum Anker-Gang und sie sind ohne Zweifel auf der Basis bezogener Rohwerke entstanden – siehe obere Kaliber-Reihe.

Ernest Francillon erwirbt 1866 das Gelände Les Longines, welches etwas außerhalb des Dorfes St. Imier liegt.  Dort lässt er einen zweistöckigen Ziegelbau errichten, wohl zu diesem Zeitpunkt nahm er bei seinem Onkel Agassiz noch eine Hypothek in Höhe von 50.000,- Schweizer Franken auf. Eine 10 PS-Turbine, angetrieben von dem  Flüsschen Suze, sollte per Transmission die Maschinen der kleinen Fabrik antreiben. Ziel war es, sämtliche Uhrmacherarbeiten an einem Ort zu vereinigen – unterstützt von modernen Maschinen, weg von der Heimarbeit. Mit 20 Arbeiter wurde im Jahre 1867 die Produktion aufgenommen und  die mehr oder weniger maschinengefertigten Taschenuhren erhielten die Signierung  E. Francillon, Longines, Suisse. Während dessen wurde im Comptoir natürlich weitergearbeitet, wo nach wie vor schöne Taschenuhren nach alter Tradition hergestellt wurden. Die ersten Longines - Ausführungen hatten dagegen noch einen recht rustikalen Charakter, deren Qualität selbst die konservativen Uhrmacher des eigenen Betriebes kritisierten (siehe oben 2.Reihe). Im ersten Jahr der Produktion werden bereits 20 000 Uhren hergestellt.

 

1874 verfasste Francillon eine Notiz, die darauf hinweist, dass alle Uhrwerke als Logo „eine geflügelte Sanduhr“ und den Namen  Longines  tragen müssen.

1879 sind schon 130 Arbeiter beschäftigt und zur Herstellung von silbernen Uhren-Gehäusen  wird neben der Fabrik eine Produktionsstätte errichtet. Am 27.05.1889 wird das Marken-Logo beim Eidgen. Amt für Geistiges Eigentum registriert und am 27.03.1893  beim Internationalen Amt für Geistiges Eigentum.

 

Die Kaliber – Entwicklung der ersten 30 Jahre ist  noch nicht so eindeutig, neben den ersten, stets verbesserten maschinengefertigten Werken – siehe oben 2.Reihe - gab es auch hochwertige ¾ - Platinen-Werke mit der Namensgravur von Georges Agassiz und Ernest Francillon, sowie ein 2/3 – Platinenwerk mit Chronometer-Qualität. Die Sonder-Modelle, insbesondere die ¾ -Platinen-Werke waren exportorientierte Modelle, die für den angloamerikanischen Markt  auch mit fremden Marken- oder Händlernamen signiert wurden. 

Genau an dieser Stelle taucht wieder die Frage auf, welchen Einfluss hatte die Familie Agassiz auf den Betrieb, insbesondere Georges Agassiz, der seit 1866 dem Betrieb angehörte, Francillon im Aufbau unterstützte und den Absatz in Amerika vorbereitete. Auf Schriftstücken dieser Zeit findet man oft die Unterschrift von E. Francillon und G. Agassiz – teils hat Francillon seinem Namen  ein ppr. vorgesetzt, was  soviel wie Prokura bedeuten könnte. In der neueren Geschichtsschreibung wird auf dieses Verhältnis überhaupt nicht mehr eingegangen – gleichzeitig hat man aber als Longines – Gründung plötzlich das Jahr 1832 angenommen.

Ernest Francillon war wegen der finanziell stets angespannten Lage auch gezwungen, nach dem Tode von Agassiz sen., den Erben zu bitten, dass die Betriebs-Einlage von 100.000,- Schweizer Franken und auch die Hypothek von 50.000,- Schweizer Franken bestehen bleiben – als neuer Rückzahltermin wurde das Jahr 1886 vereinbart. – Vielleicht war diese ständig finanzielle Schwäche des Unternehmens Longines auch der Grund, dass  Vater und Sohn Agassiz im Februar 1876 einen eigenen Betrieb unter der Firma Agassiz & Fils eröffneten.

Ebenso, wie die Entwicklung der machine made – Werke, war die frühe Entscheidung, ein Chronographen – Werk in Serie gehen zu lassen, eine Pioniertat. Auf einem hauseigenen Halbplatinen – Werk begann man ab 1878 Chronographen – Module nach dem USA-Patent von H.A. Lugrin  zu montieren.  Letztendlich kam diese Produktion auf Empfehlung des amerikanischen Handelsvertreters zustande. Das Verhältnis von Robert – später Wittnauer  zu dem Unternehmen Longines ist ja ein ganz eigenes Kapitel.

Hier sind die einfachen Bestandteile des Moduls zu sehen Dieses Modell war der

Einstieg in die dauerhafte Produktion formschöner und hochwertiger Chronographen

So wie Wittnauer in Nordamerika die Firma vertrat, soll man für Südamerika  eine eigene Marke - El Aguila (der Adler) -  ins Leben gerufen haben – so wird es zum Teil berichtet und die angeboten Uhren werden als „El Aguila by Longines“ bezeichnet. Eigene Recherchen haben ergeben, das El Aguila eine der Marken von Courvoisier Fréres aus La Chaux-de-Fonds war – dass diese Marke für Longines produziert wurde, müsste erst noch nachgewiesen werden.

Technisch gesehen wurde mehr und mehr der Ingenieur Jacques David der führende Kopf des Unternehmens.

1899 wird bereits das 1.000.000ste Uhrwerk hergestellt. Die Familie Francillon wurde durch persönliches Schicksal in diesem Jahr getroffen: Francillon hatte bereits 1857 Ida Grossjean geheiratet und 1862 wurde sein Sohn Ernest-Etienne Francillon geboren. Der Sohn wurde in Allem ausgebildet und war als zukünftiger Nachfolger seines Vaters bestens gerüstet, als er 1899 bei einem Reitunfall tödlich verletzt wird. Ein Jahr später - im Jahr 1900 - stirbt auch  Ernest Francillon. Unter der Führung von Jaques David, Baptiste Savoye und Louis Gagne erfolgt eine grundlegende Reorganisation der Produktion. Im Jahr 1900 erhält das Unternehmen für seine hervorragenden Chronometer den Grand Prix auf der Pariser Welt-Ausstellung,  zu der Zeit werden in der Uhrenfabrik fast 600 Arbeiter beschäftigt. Diese folgten weiterhin streng der von Francillon gesetzten Maxime "Wir produzieren stets nur das Optimum". 1903 entstehen die ersten mechanischen Damen-Anhängeuhren und 1905 gelingt Longines eine Pionierleistung: die erste mechanisch hergestellte Armbanduhr.  Es folgte eine  Erweiterung der Fabrik-Anlagen, nun wurden schon 1000 Arbeiter beschäftigt und die Jahresproduktion stieg auf 120 000 Uhrwerke und um 1908 wurden bereits 2000 Arbeiter beschäftigt.

1915 wurde aus dem Unternehmen eine Aktien-Gesellschaft.

 
 

Der Chronograph nach dem LUGRIN-Patent war wohl der erste Chronograph des Hauses LONGINES und kam 1878 auf den Markt. Dieses Kaliber 20 H findet man mit Serien-Nummern zwischen ca. 164.000 bis 182.000 und bisher wurden die Verkaufsbücher noch nicht quantitativ ausgewertet – vermutlich gibt es nur einige Tausend dieser Stücke. Dieses Modell hatte zunächst keinen Nachfolger und ab den 1880er Jahren findet man dann gelegentlich AGASSIZ-Chronographen mit LONGINES-Signierungen. Nach dem 20 H kam 1889 das Kaliber 19 CH auf den Markt. Der folgende Chronograph scheint eine Zwischenkonstruktion zu sein, er wird bei Longines überhaupt nicht vorgestellt.

 

Der Klassiker unter den Taschen-Chronographen ist das Kaliber 19.73, das ebenfalls seit Ende der 1880er Jahre produziert wurde. Nur selten findet man dieses Modell als komplette Longines-Uhr, das Werk wurde dagegen weltweit exportiert. Man findet dieses technisch sehr aufwändige Werk im angloamerikanischen Raum häufiger als auf dem europäischen Markt. Sein Nachfolger wurde 1909 das  Kaliber 19.73 N.

Das folgende Kaliber 18.89 und seine modifizierten Schaltungs-Konstruktionen eroberte dann ab 1905 die Welt. Diesem Modell folgte 1929 das Kaliber 18.72. Die letztgenannten Modelle wurde dann überwiegend  unter der Hausmarke LONGINES verkauft. – Bereits 1913 brachte Longines mit dem Kaliber 13.33 Z einen Armband-Chronographen auf den Markt, dem das legendäre und von den Sammlern gesuchte Kaliber 13 ZN 1936 folgte.

     

Den unten gezeigten 24"'-Klassiker kann man wahrlich nicht mehr als Stoppuhr bezeichnen, es ist ein hochpräzises Zeitmessinstrument – vermutlich mit Chronometer-Qualität Produktionsbeginn war das Jahr 1939.

Das Werk ist ein vollständiges Chronographenwerk mit Rattrapante und die Unruh macht 36.000 Halbschwingungen - man kann damit also 1/10-Sekunden messen. Das Werk hat Genfer Streifenschliff  -  das polierte und anglierte Schaltwerk nebst den 21 Steinen macht das Stück zu einem Juwel !

 
 
 
 

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