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© Copyright 2008-2009 Hans Weil

 

 

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Henry Alfred Lugrin muss man nach den neuerlichen Recherchen als einen der bedeutendsten Konstrukteure auf dem Gebiet moderner Stopp-Uhren und Chronographen  bezeichnen. Seine 1876 vorgestellte Konstruktion einer einfachen, aber genialen Vertikal-Kupplung zwischen Chronographen- und Uhrwerk war nicht nur effektiv, sondern wegen der wenigen erforderlichen Bauelemente auch sehr wirtschaftlich. Der größte Vorteil für die Uhren-Fabrikanten war aber, dass sein Chronographen-Modul ohne Umbau auf jedes der damaligen 1/2- und 2/3-Platinen-Uhrwerke aufgesetzt werden konnte. Diese Möglichkeit führte innerhalb weniger Jahre zu den ersten Serien-Produktionen preiswerter und zuverlässiger Chronographen bei den drei Firmen American Watch Co. in Waltham,  der Timing and Repeating Watch Co. in Genf und auch bei  Longines in St.Imier.
 

 

Henry Alfred Lugrin wurde 1848 in der Schweiz geboren, erlernte das Uhrmacher-Handwerk und wanderte als 20-jähriger in die U.S.A. aus. Bei der Uhren-Handelsvertretung Eugene Robert in New York fand er eine Anstellung. Um 1874 hat Lugrin geheiratet und hatte mit seiner Frau Christine geb. Marquardt vier Söhne. Mindestens zwei der Söhne wurden auch Uhrmacher - Henry Alfred Lugrin jr. wurde im November 1875 geboren, soll als Uhrmacher in Lancaster, PA. gearbeitet haben, starb aber bereits am 10. Dezember 1901 - Walter Lugrin wurde 1878 geboren, arbeitete eine zeitlang als Meister in einer Uhren-Fabrik in Bloomfield N.J., um später Shop-Manager bei der Firma A. Wittnauer & Co. in New York zu werden. 

Ohne Zweifel fand H.A.Lugrin bei seinem Arbeitgeber großes Verständnis für seine Entwicklungsarbeit und die erforderlichen Möglichkeiten, um die Prototypen seiner Chronographen herzustellen. Sicher wird diese Verbindung auch die Vermarktung der Patente gefördert haben. Wer war  sein Arbeitgeber zu dieser Zeit, wo kam er her ?

 

 

In der Mitte des 19.Jahrhunderts wanderte ein Eugene Robert aus La Chaux-de-Fonds nach Amerika aus. Er arbeitete zunächst bei J.A.ABRY, einem Handelsvertreter, der auch die Firma Auguste Agassiz in New York repräsentierte. 1866 gründete Robert unter der Firma J. Eugen Robert in New York eine eigene Uhren-Handelsvertretung. Jetzt wird er auch erst geheiratet haben - seine Frau wurde eine junge Schweizerin namens Wittnauer. Robert übernahm die Vertretung für Ernest Francillon - Longines, später folgten Stolz mit Angelus.

1872 kam Albert Wittnauer (1856-1908) als 16-jähriger Uhrmacher nach New York, um bei seinem Schwager zu arbeiten. 1874 folgte ihm sein jüngerer Bruder Louis Wittnauer (1859-1902) und begann ebenfalls bei seinem Schwager zu arbeiten.  All diese jungen Menschen waren zum Auswandern gezwungen, weil es der Schweizer Uhren-Industrie sehr schlecht ging. Die US-amerikanische Uhren-Industrie war im Aufwind und wurde noch durch hohe Schutzzölle auf Import-Uhren abgeschirmt. Entsprechend schwierig erging es damit Schweizer Exporteuren!

Erst zum Ende des Jahrzehnts ging es wieder aufwärts und Robert unterzeichnete 1877 einen Kontrakt mit Francillon über eine jährliche Abnahme von 12 000 Uhren. Um 1880 begann A.Wittnauer in der Firmenleitung mitzuarbeiten und 1885 wurde er Geschäftspartner seines Schwagers. 1888 holte man noch den Bruder Emile Wittnauer (1865-1916) nach New York, der auch die jüngere Schwester Martha Wittnauer mitbrachte. Vier junge Schweizer waren vor rund 125 Jahren über den großen Teich gegangen, um einmal die bedeutendsten Uhren-Exporteure in den U.S.A. zu werden. 1890 übernahm Albert Wittnauer das Geschäft von seinem Schwager unter der neuen Firma A.Wittnauer & Co.

 

Genau bei diesem Eugene Robert arbeitete Henry A.Lugrin Ende der 1860er Jahre bis 1880,  entwickelte Stoppuhren- und Chronographen-Mechanismen, auf die  er im Zeitraum von 1876 bis 1897  allein 20 Patente erhielt! Als erstes wurden die 14 Size Modelle 1874 (ab 1877) und 1884 (ab 1884) der American Watch Co. aus Waltham  von Lugrin mit seinen Chronographen-Modulen ausgestattet und als Waltham-Chronographen verkauft – das war damals m.E. weltweit die erste Chronographen-Serienproduktion. Möglicherweise erfolgte die Modul-Montage sogar in der Werkstatt von Robert. Alle Uhrwerke erhielten dabei die Patent-Daten auf der Platine oder auf der Chronographen-Brücke. Wenig später gab es diese Chronographen aber auch von der plötzlich auftauchenden Firma Timing & Repeating Watch Co. mit Sitz in Genf. Einen Existenz-Zeitraum und einen Gründer dieser Firma findet man nirgends. Wittnauer vertrieb aber diese Uhren weltweit und in seinen Geschäftsräumen an der Maiden Lane befand sich das "Headquarter for Timing & Repeating Watches" - ich gehe vom jetzigen Wissensstand davon aus, dass diese Firma eine Tochter-Gesellschaft von Wittnauer war, die ungefähr von 1880 bis 1910 existierte.

 

American Watch Co., Waltham (19"') - Bilder: © Copyright 2008 Hans Weil

 

Timing & Repeating Watch Co. (19"') - Bilder: © Copyright 2008 Hans Weil

 

Durch die Tätigkeit von Lugrin bei Robert Wittnauer und der wirtschaftlichen Bindung zu Longines, erklärt sich auch, warum der erste Longines-Chronograph nach dem Lugrin­Patent 1879/80 auf den Markt kam. Bei diesen Chronographen wurde eine modifizierte Brücke verwendet, das Chronographenwerk ist jedoch unverändert geblieben. – Die meisten dieser Longines-Chronographen sind wohl in den angloamerikanischen Raum exportiert worden – meist auch in englische bzw. US-amerikanische Gehäuse eingeschalt. Ganz vereinzelt findet man auch solche Longines-Chronographen in originalen Longines-Gehäusen, die offensichtlich für den europäischen Markt bestimmt waren. Alle mir bekannten Chronographen haben eine 181-Tausender Nummer, eine 182 xxx ist bisher nicht aufgetaucht. Dann gäbe es möglicherweise nur 1000 dieser ersten Longines-Chronographen.

Warum sich Lugrin später selbstständig machte, weiß man nicht. Hatte er mit seinen Patenten genug Geld für den Start in ein eigenes Geschäft verdient – oder hatte er auf eine Teilhaberschaft bei Robert gehofft? H.A.Lugrin ließ sich 1880 als Watchmaker in der West 124th Street in New York nieder, zog dann in die  Bond Street No.9 in Brooklyn und später in die  Linden Street No.33. Henry Alfred Lugrin starb am 9.Oktober 1908 in Brooklyn N.Y. Bei dem Zensus von 1910 wird die Witwe Christine Lugrin mit ihren jüngeren Söhnen in Brooklyn, N.Y.  nachgewiesen.

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